Ausgabe 35: Stromgestehungskosten
Stromgestehungskosten
Was kostet es tatsächlich, Strom aus erneuerbaren Energien zu erzeugen? Gemeint ist hier nicht der Preis, zu dem Strom an der Börse gehandelt wird, sondern die tatsächlichen Kosten, die dort entstehen, wo der Strom produziert wird: in der Anlage selbst. Diese Frage führt zu einer Kennzahl, die in der wirtschaftlichen Bewertung und in der Ausgestaltung von Fördersystemen eine zentrale Rolle spielt: den Stromgestehungskosten. Im internationalen Kontext spricht man auch von den Levelized Cost of Electricity. Sie geben an, welcher durchschnittliche Preis pro Megawattstunde notwendig ist, um sämtliche Kosten einer Stromerzeugungsanlage über ihre gesamte Lebensdauer zu decken. Dazu gehören Investitionen, laufender Betrieb, Wartung, Brennstoffkosten und Kapitalkosten.
In dieser Ausgabe von Holzkraft recherchiert erklären wir, wie Stromgestehungskosten berechnet werden, welche Faktoren dabei eine Rolle spielen und warum sie gerade für Holzkraftwerke differenziert betrachtet werden müssen.
Wie Stromgestehungskosten berechnet werden
Stromgestehungskosten erfassen den mittleren Erzeugungspreis pro Megawattstunde über die technische Lebensdauer einer Anlage. Sie werden in Euro pro Megawattstunde (oder auch Euro pro Kilowattstunde) angegeben und berechnen sich aus den Gesamtkosten geteilt durch die gesamte Stromerzeugung in Megawattstunden.
Berücksichtigt werden dabei die Investitionskosten inklusive Planung, Errichtung und Netzanbindung, die laufenden Betriebskosten für Wartung, Personal, Versicherungen und Verwaltung, die Brennstoffkosten, die bei Holzkraftwerken meist den größten Anteil ausmachen, sowie Kapitalkosten wie Zins und Abschreibung. Auch die erwartete Jahresstromproduktion auf Basis der Volllaststunden fließt in die Berechnung ein.
Je höher die Auslastung und je niedriger die variablen Kosten, desto niedriger fallen die Stromgestehungskosten aus. Wetterabhängige Technologien wie Photovoltaik oder Wind schwanken je nach Standort und Einstrahlung. Bei steuerbaren Anlagen wie Holzkraftwerken sind vor allem die Betriebskosten und der Wartungsaufwand ausschlaggebend.
Ein Blick auf die aktuelle Darstellung der Stromgestehungskosten des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) zeigt die große Bandbreite zwischen den verschiedenen Erzeugungstechnologien. Während Windkraft und Photovoltaik je nach Anlagentyp eher niedrige Stromgestehungskosten aufweisen, liegt Bioenergie im oberen Bereich.

Quelle: Frauenhofer ISE
Besonderheiten von Holzkraftwerken
Bei holzbasierter Kraft-Wärme-Kopplung unterscheidet sich die Kostenstruktur deutlich von jener anderer erneuerbarer Technologien. Besonders relevant ist, dass die Brennstoffkosten den Großteil der laufenden Ausgaben ausmachen. Deren Preise hängen stark von regionaler Verfügbarkeit, Qualität und Marktentwicklung ab, unabhängig vom eingesetzten Sortiment. Zusätzlich wird Wärme mitproduziert, was bedeutet, dass eine reine Strombetrachtung nicht ausreicht. Die Aufteilung der Kosten zwischen Strom und Wärme ist komplex, aber entscheidend. Flexibilitäten im Betrieb, etwa durch Nachtabsenkung oder saisonale Fahrweise, beeinflussen die Betriebsstunden und damit die Stromgestehungskosten. Auch die Betriebsführung ist technisch anspruchsvoll und führt zu höheren Personalkosten.
Diese Besonderheiten führen dazu, dass pauschale Vergleiche mit anderen Technologien häufig zu verzerrten Ergebnissen führen.
Internationale Vergleichswerte einordnen
Internationale Studien wie die Analysen von Fraunhofer ISE und der IRENA-Bericht zu den „Stromgestehungskosten erneuerbarer Technologien im Jahr 2024“ weisen für Bioenergie vergleichsweise hohe Werte aus. Die Spannen liegen dort typischerweise zwischen rund 100 und 200 Euro pro Megawattstunde.
Für feste Biomasse nennt Fraunhofer ISE konkret Stromgestehungskosten von 11,5 bis 23,5 Cent pro Kilowattstunde. Umgerechnet entspricht das 115 bis 235 Euro pro Megawattstunde. Diese Werte gelten bei typischen Auslegungen mit Brennholz als Hauptbrennstoff und unter Berücksichtigung der gekoppelten Wärmeauskopplung. Grundlage sind Brennstoffkosten von 2,4 Cent pro Kilowattstunde thermisch. Einnahmen aus der Wärmeerzeugung wurden in Form sogenannter Wärmegutschriften angerechnet.
Diese methodische Differenzierung ist entscheidend für die Einordnung. Viele andere Studien legen nicht offen, ob oder wie Wärmenutzung berücksichtigt wird. Auch Unterschiede bei der Brennstoffqualität, der Betriebsweise, dem Instandhaltungsaufwand oder der technischen Ausführung bleiben in den meisten Fällen unberücksichtigt. Für Holzkraftwerke mit gekoppelter Wärmebereitstellung und komplexer Kostenstruktur sind solche Durchschnittswerte daher nur bedingt aussagekräftig.
Der IRENA-Bericht hebt hervor, dass Bioenergie aufgrund ihrer technologischen Vielfalt nur eingeschränkt mit anderen Erzeugungsarten vergleichbar ist. Besonders im Zusammenhang mit nationalen Förderinstrumenten und bei der Bewertung konkreter Anlagen ist es notwendig, auf realitätsnahe und verlässliche Daten zurückzugreifen.
Wärmegutschrift als Unsicherheitsfaktor
Ein häufig verwendeter Ansatz ist die sogenannte Wärmegutschrift: Einnahmen oder angenommene Erträge aus der Wärmenutzung werden von den Gesamtkosten abgezogen, bevor die Stromgestehungskosten berechnet werden. Dadurch sinken die ausgewiesenen Stromgestehungskosten, je nach Höhe der angesetzten Wärmegutschrift zum Teil deutlich. Diese Methode ist in der wissenschaftlichen Praxis anerkannt, birgt aber Risiken, wenn die Annahmen nicht technologiespezifisch und realitätsnah getroffen werden. Für Holzkraftwerke mit komplexer Kostenstruktur können so zu niedrige Werte ausgewiesen werden, die nicht der betrieblichen Realität entsprechen.
Bedeutung für Förderpolitik und Marktintegration
Für Holzkraftwerke kann das weitreichende Folgen haben. Wenn die Kosten zu hoch angesetzt werden, drohen der Ausschluss aus Fördermechanismen und die politische Abwertung der Technologie. Werden sie zu niedrig angesetzt, entstehen wirtschaftlich unrealistische Erwartungen. Beides führt zu Fehlentwicklungen.
In Österreich dienen Stromgestehungskosten als zentrale Grundlage für die Berechnung von Förderhöhen und Referenzwerten im Rahmen des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes. An dieser Stelle entscheidet sich, ob Anlagen wirtschaftlich betrieben werden können oder ob sie vom Markt verschwinden. Basieren die zugrunde liegenden Zahlen auf ungenauen oder nicht technologiespezifischen Annahmen, gerät das gesamte Fördersystem ins Wanken. Investitionen bleiben aus, bestehende Anlagen geraten unter Druck und müssen im schlimmsten Fall stillgelegt werden. Das betrifft nicht nur einzelne Betreiberinnen und Betreiber, sondern wirkt sich auf die Versorgungssicherheit, das Erreichen der Klimaziele und die regionale Wertschöpfung aus.
Praxisdaten als Grundlage für politische Entscheidungen
Gemeinsam mit der Österreichischen Energieagentur erfassen wir als IG Holzkraft die tatsächlichen Stromgestehungskosten bestehender Holzkraftwerke in Österreich. Im Mittelpunkt steht ein strukturierter Betreiberfragebogen, der die konkreten Bedingungen im laufenden Betrieb abbildet. Er umfasst Investitionen, laufende Kosten und die anteilige Wärmenutzung. Alle Angaben werden ausschließlich durch die Österreichische Energieagentur verarbeitet, streng vertraulich behandelt und anonymisiert ausgewertet.
Diese Daten sind entscheidend für die politische Entscheidungsfindung. Sie bilden die Grundlage für die Bestimmung von Förderhöhen und die Festlegung von Referenzwerten. Sie entscheiden darüber, ob Projekte wirtschaftlich tragfähig sind oder ob sie an unrealistischen Rahmenbedingungen scheitern. Wenn Annahmen falsch oder unvollständig sind, geraten bestehende Anlagen unter Druck, Investitionen bleiben aus und neue Projekte werden nicht realisiert. Die Konsequenzen reichen weit über den einzelnen Standort hinaus und betreffen das gesamte Energiesystem.
Deshalb ist die Teilnahme an der Erhebung kein bloßer Verwaltungsakt. Sie ist entscheidend. Wer den Fragebogen ignoriert, entzieht unserer politischen Arbeit die Grundlage und gefährdet die Weiterentwicklung unseres Fördersystems. Jede Rückmeldung hingegen stärkt unsere Argumentation, macht die Realität sichtbar und ist ein aktiver Beitrag zur Zukunft der Holzkraft.
Wir laden alle Betreiberinnen und Betreiber, Planerinnen und Planer sowie Projektentwicklerinnen und Projektentwickler ein, sich zu beteiligen. Die Teilnahme ist unabhängig vom Projektstatus oder einer Mitgliedschaft.
Alle Infos finden Sie hier.
Fakten:
„Stromgestehungskosten bilden die Basis für Förderhöhen und Referenzwerte nach dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz – und entscheiden so über die wirtschaftliche Tragfähigkeit von Holzkraftwerken.“
„Wird die Wärmegutschrift zu optimistisch angesetzt, erscheinen die Stromkosten rechnerisch zu niedrig – mit direkten Folgen für Förderentscheidungen und Markteintrittshürden.“
„Nur technologiespezifische, realitätsnahe Kostenkennzahlen verhindern systematische Unterförderung – und sichern Investitionen, Planungssicherheit und Versorgungskapazitäten.“






