Ausgabe 31: Energiekrisenbeitrag Strom
Eine Maßnahme im Wandel der Zeit
Die neue Regierung hat ihre Arbeit gerade erst aufgenommen, doch bereits innerhalb weniger Tage sind zentrale energiepolitische Entscheidungen getroffen worden, die den Markt bis 2030 prägen werden. Konkret ist dies die Verlängerung und Verschärfung des Energiekrisenbeitrags Strom (EKB-S). Ursprünglich als Instrument im Zuge der Energiekrise 2022 eingeführt, bleibt die Maßnahme auch drei Jahre nach ihrer Einführung bestehen und wird bis 2030 verlängert.
Doch was hat 2022 zur Einführung dieses Instruments geführt? Welche energiewirtschaftlichen und politischen Faktoren waren damals entscheidend? Und unter welchen Rahmenbedingungen wird die Maßnahme heute fortgeführt?
In dieser Ausgabe von Holzkraft recherchiert betrachten wir die Marktverhältnisse zur Zeit der Einführung des Energiekrisenbeitrags, die politischen und regulatorischen Entscheidungen, die ihn geprägt haben, sowie die aktuellen Rahmenbedingungen, unter denen er heute fortgeführt wird.
Die energiepolitische Lage 2022
Die Einführung des Energiekrisenbeitrags fiel in eine Zeit tiefgreifender Umbrüche auf den europäischen Energiemärkten. Die russische Invasion in der Ukraine im Februar 2022 markierte einen Wendepunkt für die europäische Energieversorgung. Russland war bis dahin einer der wichtigsten Gaslieferanten Europas und deckte etwa 40 % der europäischen Gasimporte. Durch schrittweise Reduzierungen der Gaslieferungen und schließlich den vollständigen Lieferstopp über die Nord-Stream-Pipeline wurde die Energieversorgung in Europa erheblich eingeschränkt.
Neben dieser geopolitischen Eskalation führten weitere Faktoren zu drastischen Energiepreissteigerungen:
- Geringe Füllstände der europäischen Gasspeicher nach einem kalten Winter 2021/22 zwangen viele Länder, zu Höchstpreisen Gas nachzukaufen.
- Niedrige Wasserstände in Flüssen schränkten die Transportkapazitäten für Kohle ein, was die Verfügbarkeit konventioneller Kraftwerke beeinträchtigte.
- Ausfälle eines hohen Anteils der französischen Atomkraftwerke führten dazu, dass Frankreich – normalerweise ein Stromexporteur – selbst große Mengen Strom importieren musste.
- Globale Ölpreissteigerungen und Förderkürzungen durch die OPEC+ trieben die Energiekosten zusätzlich in die Höhe.
Die Folge war eine beispiellose Verteuerung fossiler Energieträger, insbesondere von Erdgas. Da im europäischen Strommarkt das Merit-Order-Prinzip gilt, bewirkten die hohen Gaspreise eine deutliche Steigerung der Strompreise.
Das Merit-Order-Prinzip beschreibt das Auktionsverfahren zur Preisbildung im Strommarkt, bei dem Kraftwerke entsprechend ihrer Grenzkosten – also den variablen Kosten für die Erzeugung einer zusätzlichen Megawattstunde Strom – zum Einsatz kommen. Zunächst wird Strom aus Kraftwerken mit den niedrigsten variablen Kosten eingespeist, wie Wind- und Wasserkraftanlagen, da sie geringe Betriebskosten haben. Anschließend folgen Erzeugungstechnologien mit höheren variablen Kosten, darunter Kohle- und Biomassekraftwerke, deren Betrieb von Rohstoffpreisen abhängt. Den Strompreis bestimmen aber die Kosten desletzten noch benötigten Kraftwerks, das zur Deckung der Nachfrage herangezogen wird. In vielen Fällen übernehmen diese Rolle flexible Gaskraftwerke, da ihre variablen Kosten bedingt durch den Gaspreis meist höher sind als die anderer Erzeugungstechnologien.
Da 2022 die Gaspreise massiv anstiegen, verteuerte dies aufgrund des oben beschrieben Marktdesigns den Strompreis für alle Marktteilnehmer – unabhängig von den individuellen Erzeugungskosten. Somit erzielten selbst Erzeuger mit niedrigen variablen Kosten plötzlich Preise, die nicht ihre eigenen Produktionskosten widerspiegelten, sondern durch die hohen Gaspreise bestimmt wurden.
Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken, verabschiedete die EU im Oktober 2022 die Council Regulation (EU) 2022/1854 on an emergency intervention to address high energy prices (Rat der EU, Verordnung (EU) 2022/1854 über eine Notfallmaßnahme zur Bewältigung hoher Energiepreise). Diese verpflichtete die Mitgliedstaaten zur Festlegung einer Erlösobergrenze für inframarginale Stromerzeuger und sah eine zeitlich befristete Abschöpfung von Markterlösen vor. Mitgliedstaaten mussten demnach Erlöse oberhalb von 180 €/MWh begrenzen und diese überschüssigen Einnahmen zur Entlastung von Verbrauchern und Unternehmen nutzen.
Österreich setzte diese Vorgaben mit dem Energiekrisenbeitrag Strom (EKB-S) in nationales Recht um und nahm dabei eine strengere Ausgestaltung vor als in der EU-Verordnung vorgesehen. Die Erlösobergrenze wurde zunächst auf 140 EUR/MWh festgelegt und mit Wirkung zum 1. Mai 2023 weiter auf 120 EUR/MWh gesenkt.
Die energiewirtschaftliche Lage 2025
Drei Jahre nach der Einführung des Energiekrisenbeitrags haben sich die Rahmenbedingungen in vielen Bereichen verändert:
- Diversifizierung der Gasimporte: Europa bezieht inzwischen einen Großteil seines Erdgases aus alternativen Quellen, insbesondere LNG-Importe aus den USA, Katar und Australien sowie erhöhte Lieferungen aus Norwegen.
- Gasspeicher gut gefüllt: Die europäischen Speicherstände lagen zu Beginn des Winters 2024/25 auf einem historischen Höchststand, was eine größere Versorgungssicherheit gewährleistete. Auch im März 2025 sind die Speicher mit rund 50 % noch zur Hälfte gefüllt (Quelle: Gasspeicher Füllstand Österreich 2025 | Statista).
- Nachfrageanpassung: Industrie und Haushalte haben den Energieverbrauch gesenkt, und der Ausbau erneuerbarer Energien hat die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern verringert.
- Strompreise stabilisiert: Mit den gesunkenen Gaspreisen liegt der durchschnittliche Großhandelspreis für Strom 2025 wieder deutlich unter den Höchstwerten von 2022, aber weiterhin über dem Vorkrisenniveau.
Während in mehreren europäischen Staaten die energiepolitischen Notfallmaßnahmen inzwischen ausgelaufen sind, hat Österreich den Energiekrisenbeitrag bis 2030 verlängert und die Erlösobergrenze auf 90 €/MWh gesenkt. Diese Verschärfung der Abschöpfung von Stromerlösen erfolgt unabhängig davon, ob die ursprüngliche Krisensituation noch besteht. Im Rahmen des Budgetsanierungspakets 2025 wird der Energiekrisenbeitrag Teil eines Gesamtmaßnahmenpakets, mit dem sich die Bundesregierung zusätzliche Einnahmen von rund 200 Millionen Euro pro Jahr erwartet.
Fakten:
„Die EU-Verordnung (EU) 2022/1854 verpflichtete Mitgliedstaaten, Erlösobergrenzen für inframarginale Stromerzeuger festzulegen – als befristete Maßnahme zur Eindämmung außergewöhnlich hoher Marktpreise infolge der Energiekrise 2022.“
„Österreich setzte die Vorgaben der EU nicht nur zügig um, sondern senkte die Erlösobergrenze mehrfach ab – von 180 €/MWh auf zuletzt 90 €/MWh. Damit bleibt die nationale Regelung auch 2025 deutlich strenger als das europäische Mindestmaß.“
„Obwohl sich die Energiemärkte inzwischen stabilisiert haben, bleibt der Energiekrisenbeitrag Strom bis 2030 bestehen. Er ist Teil eines umfassenden Budgetpakets, mit dem die Bundesregierung zusätzliche Einnahmen in Höhe von rund 200 Millionen Euro jährlich erzielen möchte.“
Quellen:
- Oesterreichs Energie – E-Wirtschaft gegen gezielte Verteuerung von Strom: Oesterreichs Energie
- Oesterreichs Energie – Studie: Wie geht es weiter mit den Strompreisen?
- Zeller_(2023):_Geopolitik_Geooekonomie