Ausgabe 28: Teil 2 – Österreichs Energiepolitik ab 1995

Österreichs Energiepolitik: Von der EU-Integration auf dem Weg zur Klimaneutralität

Mit dem EU-Beitritt begann für Österreich eine neue Ära der Energiepolitik. Dieser Wandel war geprägt von der Integration europäischer Richtlinien, dem ehrgeizigen Ausbau erneuerbarer Energien und der Anpassung an globale Klimaziele. Im ersten Teil unserer Serie haben wir die Entwicklungen der Energiepolitik der Zweiten Republik bis 1995 beleuchtet. Nun richten wir den Fokus auf die Jahre ab 1995, die durch entscheidende Weichenstellungen und bedeutende Fortschritte in der österreichischen Energielandschaft geprägt sind.  

1995–2000: EU-Beitritt und Liberalisierung 

Der EU-Beitritt Österreichs am 1. Januar 1995 markierte den Beginn tiefgreifender Veränderungen in der nationalen Energiepolitik. Mit der Integration in die EU wurden zahlreiche europäische Richtlinien und Vorschriften übernommen, die die Grundlage für weitreichende Reformen bildeten. Eine der ersten und bedeutendsten Änderungen kam 1996 mit der EU-Binnenmarktrichtlinie für Elektrizität, die 1998 durch das Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG) in nationales Recht umgesetzt wurde. Dieses Gesetz führte zur schrittweisen Liberalisierung des Strommarktes.  

1999 wurde der Strommarkt für Großabnehmer geöffnet, ein bedeutender Schritt hin zu mehr Wettbewerb und Effizienz. Schließlich folgte am 1. Oktober 2001 die vollständige Liberalisierung des Strommarktes, wodurch Österreich zu einem der ersten Länder in der EU wurde, das diesen umfassenden Reformprozess vollständig umsetzte. Diese Liberalisierung führte zu einem erhöhten Wettbewerb, der den Verbrauchern zugutekam, indem er die Preise stabilisierte und die Servicequalität verbesserte.  

2000–2010: Förderung erneuerbarer Energien und Klimaschutz 

In den frühen 2000er Jahren setzte Österreich verstärkt auf erneuerbare Energien. Ein entscheidender Schritt war die Einführung des Ökostromgesetzes 2002, das durch fixe Einspeisetarife Investitionen in Wind-, Wasser-, Biomasse- und Solarenergie förderte.  

2004 wurde das Unbundling umgesetzt, das die Entflechtung von Netz, Erzeugung und Vertrieb vorsah. Diese Maßnahme ermöglichte es kleineren Anbietern, in den Markt einzutreten, ohne Nachteile gegenüber etablierten Unternehmen zu haben. Unabhängige Regulierungsbehörden wie E-Control wurden eingerichtet, um faire Marktbedingungen und den Schutz der Kundeninteressen zu gewährleisten.  

Ebenfalls 2004 initiierte das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft die „Klimaaktiv“-Initiative, um die Energiewende und den Klimaschutz durch Information, Beratung und Förderprogramme voranzutreiben. „Klimaaktiv“ soll den Einsatz erneuerbarer Energien erhöhen und die CO2-Emissionen reduzieren.  

2010–2020: Ausbau erneuerbarer Energien und Energieeffizienz 

In diesem Jahrzehnt investierte Österreich stark in den Ausbau von Wind- und Solarenergie. Auch die Wasserkraft wurde weiter ausgebaut und modernisiert. Die Novellierungen des Ökostromgesetzes in den Jahren 2012 und 2017 verbesserten die Förderbedingungen für erneuerbare Energien, insbesondere für Wind- und Solarenergie, was deren Ausbau deutlich beschleunigte. Im Gegensatz dazu blieb die Förderung der Bioenergie weiterhin begrenzt, und auch in den folgenden Jahren wurden keine Maßnahmen ergriffen, um die Förderbedingungen in diesem Bereich wesentlich zu verbessern. 2014 trat das Energieeffizienzgesetz in Kraft, das verbindliche Ziele zur Steigerung der Energieeffizienz festlegte und Maßnahmen zur Reduktion des Energieverbrauchs einführte. Dies trug wesentlich dazu bei, den Energieverbrauch in Industrie, Haushalten und Verkehr zu senken.  

Österreich ratifizierte 2016 das Pariser Klimaabkommen, ein Meilenstein in den globalen Bemühungen zur Bekämpfung des Klimawandels. Das Abkommen zielt darauf ab, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 Grad Celsius zu begrenzen und den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken.  

2018 präsentierte die österreichische Bundesregierung die „#mission 2030“, eine Klima- und Energiestrategie. Diese Strategie verfolgt das Ziel einer nachhaltigen Dekarbonisierung, unterstützt die Innovationsfähigkeit österreichischer Unternehmen und fördert die Nutzung erneuerbarer Energien. Die Strategie enthält Ziele wie die Senkung der Treibhausgasemissionen um 36% gegenüber 2005 und den Ausbau des Anteils erneuerbarer Energien am Bruttoendenergieverbrauch auf 45-50%, sowie eine bilanziell 100%ige Deckung des Gesamtstromverbrauchs durch erneuerbare Energien. Diese Ziele wurden durch den nationalen Energie- und Klimaplan 2021-2030 konkretisiert.  

Die Europäische Kommission initiierte 2019 den „Green Deal“, ein Paket politischer Maßnahmen, das die EU bis 2050 klimaneutral machen soll. Dieses Programm legt die Grundlage für weitreichende Veränderungen und nachhaltige Entwicklungen in der gesamten Union.  

2019 trat das Biomasseförderungsgrundsatzgesetz in Kraft, das die Fortführung der Einspeisetarifregelung für Biomasseanlagen um weitere drei Jahre verlängerte. Allerdings führte dies nicht zu einer wesentlichen Stärkung der Bioenergie, da die Bundesländer in ihren Umsetzungen teilweise niedrigere Einspeisetarife festlegten, was den Ausbau und die wirtschaftliche Attraktivität von Biomasseprojekten weiterhin einschränkte.  

2020: Klimaneutralität und Energiewende 

Ein bedeutender Meilenstein im Bereich der erneuerbaren Energien war das 2021 beschlossene Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG). Dieses Gesetz zielt auf den Ausbau erneuerbarer Energien und die Gründung von Erneuerbaren-Energiegemeinschaften ab. Es integriert die Zielsetzungen der „#mission 2030“ und beinhaltet Maßnahmen zur Sektorkopplung und Erstellung integrierter Netzpläne.  

Mit dem Paket „Fit für 55“ wurden 2021 die Klimaziele des Green Deal in konkrete Rechtsakte übertragen, die eine Reduktion der Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 % gegenüber dem Stand von 1990 vorsehen. Österreich hat sich damit verpflichtet, seinen Anteil an erneuerbaren Energien auf mindestens 45 % zu erhöhen und eine entsprechende Vorreiterrolle in der EU einzunehmen. Im Jahr 2021 führte die Bundesregierung als Teil der ökosozialen Steuerreform die CO2-Bepreisung ein, die ab Oktober 2022 in Kraft trat und schrittweise erhöht wird.  

Aktuelle Herausforderungen und Zukunftsaussichten 

Der russische Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 löste eine europaweite Gaskrise aus und verstärkte die Dringlichkeit, sich von fossilen Brennstoffen, insbesondere von russischem Gas, unabhängig zu machen. Österreich reagierte prompt mit Maßnahmen zur Diversifizierung seiner Energiequellen und zur Erhöhung der Gasspeicherkapazitäten.  

Im Jahr 2023 aktualisierte Österreich seinen nationalen Energie- und Klimaplan (NEKP), um die EU-Klimaziele zu erreichen und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Da bislang jedoch kein Entwurf nach Brüssel geschickt wurde, drohen jetzt Vertragsverletzungsverfahren. Trotz erheblicher Fortschritte bleibt die Reduktion der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen somit eine anhaltende Herausforderung.  

Österreichs Energiepolitik zeigt seit Jahrzehnten einen klaren Trend hin zu sauberer Energie. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat das Land bedeutende Fortschritte gemacht, indem es von kohlebasierter Energie auf Wasserkraft und später auf andere erneuerbare Energien wie Wind-, Solar- und Biomasseenergie umgestiegen ist. Die Rolle der Europäischen Union ist seit dem Beitritt 1995 entscheidend, da sie die Rahmenbedingungen und Richtlinien vorgibt. Die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte zeigen, dass Österreich auf einem guten Weg ist, seine Energieversorgung nachhaltig und zukunftsfähig zu gestalten. Die kommenden Jahre werden jedoch weitere strategische Entscheidungen und stabile Rahmenbedingungen für die Unternehmen, die in Erneuerbare Energien investieren, erfordern, um die angestrebte Klimaneutralität zu erreichen.  

Fakten:

 

„Der EU-Beitritt Österreichs am 1. Januar 1995 führte zur Integration europäischer Richtlinien, die die Grundlage für die schrittweise Liberalisierung des Strommarktes bildeten, einschließlich der vollständigen Liberalisierung am 1. Oktober 2001.“

„Die Einführung des Ökostromgesetzes 2002 und dessen Novellierungen 2012 und 2017 haben die Bedingungen zur Förderung erneuerbarer Energien erheblich verbessert. Zudem wurde 2018 die „#mission 2030“ als Klima- und Energiestrategie präsentiert, um die nachhaltige Dekarbonisierung zu unterstützen. “

„Der russische Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 führte zu einer europaweiten Gaskrise. Österreich reagierte mit Maßnahmen zur Diversifizierung seiner Energiequellen und zur Erhöhung der Gasspeicherkapazitäten.“

 

Quellen:

  • https://www.ewo-austria.at/klima-energiestrategien/
  • https://oesterreichsenergie.at/aktuelles/neuigkeiten/detailseite/20jahre-strommarktliberalisierung
  • https://www.spiegel.de/thema/ukraine_konflikt/
  • https://commission.europa.eu/strategy-and-policy/priorities-2019-2024/european-green-deal/delivering-european-green-deal_de
  • https://www.bmk.gv.at/themen/klima_umwelt/klimaschutz/int_klimapolitik/oe_beitrag/klimaaktiv.html